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OrtBerlin
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ObjektRevitalisierung eines Bürogebäudes mit Gewerbenutzung sowie Neubau eines Staffelgeschosses und der Fassade
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BauherrinIrene Propco 7 (Stralauer Allee Berlin) GmbH
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BauherrenvertretungOFFICEFIRST Real Estate GmbH, Frankfurt am Main
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EntwurfsverfasserCaspar Schmitz-Morkramer
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TGADES GmbH, Schwaan
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Tragwerksplanungwh-p GmbH Beratende Ingenieure, Berlin
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Brandschutzhhpberlin - Ingenieure für Brandschutz GmbH, Berlin
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BauphysikKREBS+KIEFER Ingenieure GmbH, Dresden (bis LPH4)
G4W-Holding GmbH, Dresden (ab LPH5) -
FassadenplanungDrees & Sommer SE, München
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FreiraumplanungTOPOTEK 1, Berlin
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EnergiekonzeptG4W über KuK
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Planungs- und Bauzeit2021–2026
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LeistungsphasenStufe 1: LPH 1–4, Stufe 2: LPH 5–7
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Brutto-Grundfläche (oi/ui)25.208 m²/2.986 m²
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ZertifizierungenLEED Platin (angestrebt)
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Visualisierungencaspar./moka-studio
Bis zu 75 Millionen Eier und eine Menge anderer temperaturempfindlicher Lebensmittel konnten in jenem neungeschossigen Speicher im Berliner Osthafen präzise temperiert gelagert werden, der 1929 nach Plänen des Architekten Oskar Pusch direkt an der Spree und der berühmten Oberbaumbrücke gebaut wurde. Der ikonische Bau, vom Volksmund schlicht „Eierkühlhaus“ genannt, wird von uns in Zusammenarbeit mit dem Bauherrn Irene Propco 7 (Stralauer Allee Berlin) GmbH (Bauherrenvertretung OFFICEFIRST Real Estate) revitalisiert und in ein flexibel nutzbares Bürogebäude transformiert: „Stralauer ONE“. Entwerferischer Clou sowie Dreh- und Angelpunkt: Wir erhalten im Wesentlichen den Rohbau und seine Stahlskelettstruktur, verschieben jedoch die beiden Erschließungskerne auf eine Weise, die extrem viel Licht, Offenheit, Transparenz schafft und damit Atmosphäre und Nutzungsmöglichkeiten gleichermaßen verbessert.
Ein Haus mit solch außergewöhnlicher Lage, Persönlichkeit und Geschichte zu transformieren, erfordert Respekt in jeder Hinsicht. In seiner Entstehung ist das Eierkühlhaus einerseits ganz zeittypisch – abzulesen beispielsweise an der expressionistisch ornamentierten Backsteinfassade des Eisenbetonskelettbaus –, andererseits war der Bau schon damals sehr innovativ: Die Verwendung von vorgefertigten Elementen, für die Pusch die Klinker im Rautenmuster auf korkgedämmten Platten anordnen ließ, war seinerzeit absolut ungewöhnlich. Auch die Neu-Entstehung als Stralauer ONE soll den Doppelcharakter des Traditionellen und des Zukunftweisenden abbilden.
Allerdings hat das Gebäude bereits eine Transformation hinter sich. Als das (Tief-)Kühlhaus 1991 stillgelegt wurde, war es bereits auf die doppelte Kapazität erweitert, mehrmals technisch überholt und saniert worden. Bei Betrachtung der Nach- bzw. Umnutzungsmöglichkeiten erwies sich die Etagenstruktur im Vergleich mit moderner Logistik als unwirtschaftlich, legte allerdings eine Konversion zu einem Bürogebäude nahe. Zehn Jahre stand das Haus leer, 2001 begann der Umbau. Satteldach und Erschließungskerne wurden abgebrochen, ein Staffelgeschoss aufgesetzt und neue Kerne eingefügt. Die mit horizontalen Bändern gegliederten Bereiche der Fassaden wurden geöffnet und mit einer vorgehängten Glasfassade ersetzt. Man befreite die markante Backsteinhülle von der zu DDR-Zeiten aufgebrachten außenliegenden Tiefkühl-Dämmung und passte die Haustechnik der neuen Nutzung an.
Zwanzig Jahre lang war das Gebäude der Sitz von Universal Music – heute arbeiten wir daran, einerseits, das denkmalgeschützte Haus in eine nachhaltige Büroimmobilie mit 25.208 m² BGF und hoher Flexibilität für Single- und Multi-Tenant-Nutzung zu transformieren. Andererseits legen wir Wert darauf, dass die Transformation im Einklang mit den Kontexten von Ort und Bedeutung des Baus geschieht, die sehr hohe Ansprüche an sensibles Entwerfen stellen. Dass wir beispielsweise die ursprüngliche „Passepartout“-Idee in Form der eingerahmten horizontalen Bandfassade reaktivieren und variieren, hat entscheidend damit zu tun.
Die markante Backsteinfassade des Hauses wird in Absprache mit der Denkmalpflege bauphysikalisch saniert und auf der Innenseite zeitgemäß gedämmt. Die nachträglich eingesetzten Glasfassaden vor der 2. bis 8. Etage ersetzen wir mit einer leichten flächigen Struktur und passen Sonnen- und Schallschutz den Gegebenheiten an. Die Ordnung der neuen Fassade nimmt Bezug auf das Stützenraster des Hauses. Festverglasung und Öffnungsflügel im Wechsel und etagenweise versetzt, erzeugen eine subtile Rhythmisierung.
An der langen Südseite bietet eine vorgehängte Metallkonstruktion jeder Etage über die gesamte Breite Austritte mit Blick aufs Wasser. Die dezente Absturzsicherung aus Edelstahlgewebe fällt visuell kaum ins Gewicht und wird auch vor den geschosshohen Öffnungen der anderen Fassaden eingesetzt. Das Erdgeschoss bildet einen soliden Sockel für den großen Block mit der durchscheinenden Mitte. Die Erschließung des Hauses erfolgt über das zentral an der Stralauer Allee liegende Entree. Die Nutzungen im Erdgeschoss (Gastronomie, Fitness, Co-Working u.a.) werden von außen direkt erschlossen oder an das Foyer angebunden. Das Staffelgeschoss ersetzen wir an gleicher Stelle.
Einen großen Mehrwert für die Nutzer:innen stellt die von uns mit intensiver Begrünung und umlaufenden Terrassen als Skygarden gestaltete Dachfläche dar. Wir nutzen dort die Möglichkeit zur Regenwasserretention und können in Absprache mit der Denkmalpflege PV-Paneele auf dem Dach des Technikbaukörpers installieren. Die landschaftliche, terrassierende Gestaltung des Baus setzt sich ganz unten fort, zwischen Eingang und Wasserkante nämlich: Die Landschaftsarchitekt:innen von Topotek1 schaffen durch eine organische Treppen- und Terrassenanlage auf Eingangshöhe deutlich mehr Sitz- und Aufenthaltsgelegenheiten. Da der der Abstand zwischen Haus-Entrée und Flusskante eher schmal ist, wird dabei nicht zuletzt die gefühlte Vergrößerung durch die Abstufungen des gesamten Eingangsbereichs wichtig. Sowohl der Umgang mit dem Platz als auch die Aufwertung der Aufenthaltsqualität kommt der Gastronomie zugute, die – im Konzert mit allen anderen erwähnten Maßnahmen – zumindest auf der Länge von Stralauer ONE den Bereich zu einer atmosphärischen Flusspromenade macht und damit zu dem erheblichen öffentlichen Mehrwert des Projekts beiträgt.
Wir erhalten die markante Stahlbetonstruktur, deren pilzförmige Stützenköpfe ein optimales Verhältnis zur Lastverteilung und Flächennutzung gewährleisten. Decken und Stützen werden nicht verkleidet, nur gespachtelt und hell gestrichen. So bleibt die Struktur des Denkmals auch nach der Sanierung erlebbar. Doch, wie gesagt: Das wesentliche Element bei der Planung war es, die beiden Erschließungskerne zu versetzen und damit einen 30m breiten, lichtdurchfluteten Raum zu schaffen – eben jene oben erwähnte „durchscheinende Mitte“.
Dies ist die sichtbarste und folgenreichste, aber längst nicht die einzige Maßnahme, die das Motto unseres Projektansatzes charakterisiert: weiche Schale, harter Kern. Es gibt eine massive Bausubstanz – der Bestandsbau z.B. mit seinen Ziegelwänden und seinen Stützen –, und diesen Eindruck von (historischer) Kraft und „Härte“ wollten wir nicht schmälern. Doch das „Weiche“, Öffnende war mindestens genauso wichtig. Eine mehrschichtige Fassade aus transparenten, lichtdurchlässigen Mesh-Materialien trägt zu diesem Effekt entscheidend bei.
Auch viele technische Aspekte des Projekts verdienen besondere Erwähnung, zum Beispiel der Hohlraumboden, in dem so viel Haus- und Klimatechnik wie möglich „versteckt“ wird, was sowohl räumliche, infrastrukturelle als auch ästhetische Vorteile mit sich bringt. Bemerkenswert ist auch der eigene Fahrradaufzug, der entsprechende Stellplätze auf jeder einzelnen Etage bedient (24 pro Regeletage in gesonderten Fahrradräumen). (Bis zu 100 PKW-Stellplätze mit E-Ladesäulen finden in einer Tiefgarage Platz.)
Stralauer ONE ist, trotz allem Ein- und Denkmaligem, nur ein Bürogebäude. „Nur“ heißt heute aber auch immer: mehr als nur ein Bürogebäude. Die dramatischen Änderungen der Arbeitskultur der letzten Jahre müssen sich im Bau widerspiegeln: Die Arbeit der Architektur besteht darin, die Architektur der Arbeit zukunftsfähig zu machen. Viele Aspekte jener sich transformierenden Arbeitskultur sind unter dem Ausdruck „New Work“ versammelt. Die wahrscheinlich wichtigste Komponente dieser Idee ist: Flexibilität, räumlich-funktionale Wandelbarkeit. Dieser Anforderung werden wir gerecht, indem wir beispielsweise die Option anbieten, im Bereich des jetzigen Erschließungskerns zwei Etagen über eine großzügige Treppe mit Sitzstufen miteinander zu verbinden. Außerdem gibt es die Möglichkeit, einen weiteren Eingangsbereich mit eigenem Foyer zu kreieren. Das kann dann relevant werden, wenn das Gebäude von mehr als einer Mietpartei genutzt wird. Das Gebäude ist tief genug, um die Etagen, individuellen Nutzungsansprüchen entgegenkommend, flexibel zu gliedern. Während alle Arbeitsplätze an den Fassaden liegen, kann die nun großzügige offene Mittelzone mit Besprechungsräumen, Lounges und Pantryküchen bespielt werden.
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Caspar Schmitz-Morkramer
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Sonja Gallo
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Christoph Wolf
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Daniel Opitz
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Alice Sturm
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Alexander Willems
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Anita Seidner
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Astrid Dierkes
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Can Birkal
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Chantal Bredenbröcker
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Lara Covic
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Maria Fayos Alvarez
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Anna Frolova
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Mehrdad Hamedi
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Michael Meier
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Martin Mellis
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Felix Nebelin
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Juan Salgado
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Jakob Wogrolly